Was ist eine Schleuder?

Die Schleuder während der Eiszeit
Die Schleuder während der Eiszeit

Vorweg, und wie Du wohl schon bemerkt hast; Hier geht es nicht um die Zwille, die Gabel mit dem Gummizug, sondern um die Schleuder, eine Waffe, die unsere Vorfahren über mehrere tausend Jahre begleitet hat.

 

Mit Ausnahme von Australien war die Schleuder weltweit verbreitet, zunächst in der Altsteinzeit als Jagdwaffe (wahrscheinlich nicht nur auf Kleintiere, wie man zunächst vermuten könnte), später als typische Hirtenwaffe, und das ist sie in manchen Gegenden noch heute. Aber auch in Kriegen der Antike und des Mittelalters wurden beträchtliche Kontingente von Schleuderern eingesetzt. Erst das Aufkommen der Feuerwaffen, deren Bedienung einfacher war, drängte die Schleuder nach und nach in den Hintergrund.

 

Grundsätzlich gibt es nur wenige einfachere Gerätschaften als die Schleuder: ein Stück Leder als "Tasche" (auch Brief, Gondel oder Schiffchen genannt), zwei Schnüre, ein paar Knoten, fertig ist eine funktionierende Schleuder. Diese Simplizität ist eine der vielen faszinierenden Eigenschaften der Schleuder, vermag sie doch in den richtigen Händen ein Projektil mehrere hundert Meter weit zu werfen bzw. ihm genug Energie zum Durchschlagen von Holzschilden zu verleihen.

 

Schleudern können aus einer beinahe unendlichen Vielzahl von unterschiedlichen Materialien hergestellt werden und sind wahrscheinlich im Laufe der Zeit auch aus allen möglichen Materialien gefertigt worden. Zum Leidwesen der Archäologen allerdings liegt es in der Natur von tierischen und pflanzlichen Fasern, dass sie sich im Erdreich gewöhnlich ziemlich schnell und vollständig zersetzen und keine Spuren hinterlassen. Rückschlüsse auf die Benutzung der Schleuder in der Prähistorie sind meist nur indirekt möglich, entweder durch Abbildungen oder das Vorkommen von Schleudergeschossen, häufig runde oder abgerundete Steine, aber auch Lehm- und Keramikgeschosse, später Bleiprojektile.

 

Schriftliche und bildliche Zeugnisse existieren aus historischer Zeit, sind allerdings, verglichen etwa mit dem Bogen, deutlich weniger. Noch seltener wären sie, hätte nicht die Bibel in der Episode von David und Goliath (1 Sam 17, 4-54) dieser unscheinbaren Waffe ein Denkmal gesetzt. In der Hand des Hirtenjungen, der ansonsten unbewaffnet dem schwer gerüsteten, trainierten und körperlich weit überlegenen Profi-Krieger gegenübertritt und ihn mit dem ersten Schuss niederstreckt, leuchtet das Potenzial der Schleuder hell auf. In der religiösen Deutung ist es der Wille Gottes, der das Geschoss lenkt und David den ersten Schritt in Richtung auf den Königsthron des Volkes Israel gehen lässt. Weltlich interpretiert, ist das Duell sprichwörtlich geworden für den Sieg des Underdogs über den Kraftprotz, der seiner Bewaffnung zu sehr vertraut, um mit einem gut gezielten Bachkiesel zu rechnen. Es gibt Hinweise in geschichtlichen Quellen, dass - bezogen auf die Schleuder - der Ausgang des Zweikampfs Davids gegen Goliath weniger untypisch ist, als man annehmen sollte. Jedenfalls begegnet uns die Schleuder im Mittelalter und der frühen Neuzeit gelegentlich in Bibelillustrationen, die wertvolle Hinweise auf Schleuderarten und Schleudertechniken der jeweiligen Zeit geben können. Deutlich seltener sind zeitgenössische Darstellungen der Schleuder, die nichts mit David zu tun haben, aber auch sie kommen vor, etwa auf dem Teppich von Bayeux.

 

Materialien, die zur Herstellung von Schleudern taugen, gibt es, wie gesagt, viele. Ebenfalls vielfältig sind die Varianten, wie man eine Schleuder gestaltet: Die Läufe kurz oder lang, gezwirnt, geflochten oder gar gestrickt, der Brief (Gondel) gewoben, zwirngebunden, als Netz, als Lederstück, einfach oder mehrfach geschlitzt, oval, rautenförmig oder quadratisch, langgestreckt oder breit, das Ganze mit Troddeln oder Perlen besetzt, schreiend bunt oder schlicht erdfarben. Manche dieser Eigenschaften dienen einem bestimmten technischen Zweck, andere sind rein optischer Natur oder haben einen ethnischen Hintergrund. Einen guten Eindruck von der Bandbreite der weltweiten Variationsmöglichkeiten erhält man im virtuellen Museo de la Honda: http://perso.wanadoo.es/hondero/museo.htm

 

So simpel das Prinzip der Schleuder selbst ist, so komplex ist ihre Handhabung. Um kraftvoll und zielsicher schleudern zu können, muss man ein gut getaktetes Zusammenspiel von Bewegungsabläufen verschiedener Körperpartien (beileibe nicht nur des Wurfarms) sauber beherrschen. Dies mag ein Grund für den Niedergang der Schleuder gewesen sein: Feuerwaffen zu bedienen, war wesentlich simpler.